Grundsatzerfolg beim Bundessozialgericht zur Wirkstoffneuheit bei Arzneimitteln: NOVACOS greift erfolgreich AMNOG-Nutzenbewertung für Galderma Laboratorium an („Ivermectin II“)
Düsseldorf. Die Healthcare-Boutique NOVACOS hat das Pharmaunternehmen Galderma Laboratorium GmbH erneut beim Bundessozialgericht (BSG) in Kassel erfolgreich vertreten. Nachdem das BSG im September 2020 bereits zu Gunsten von Galderma erstmals entschieden hatte, dass pharmazeutische Unternehmer sich auch gegen Nutzenbewertungen ihrer Arzneimittel gerichtlich zur Wehr setzen können, wenn sie auf dieser Grundlage einen Erstattungspreis vereinbaren („Ivermectin I“), hat das BSG dem Unternehmen nun auch in der Sache letztinstanzlich Recht gegeben. In dem Klageverfahren gegen das höchste Gremium der Selbstverwaltung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung, dem Gemeinsamen Bundesausschuss, urteilte das BSG am 5. September 2024 (Az.: B 3 KR 22/22 R), dass die angegriffene Nutzenbewertung des Arzneimittels Soolantra® mangels Neuheit des Wirkstoffes Ivermectin rechtswidrig ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe daher mit dem Nutzenbewertungsbeschluss den ihm als Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten, so das BSG in der Entscheidung.
Die Galderma Laboratorium GmbH ist die deutsche Vertriebstochter des weltweit größten unabhängigen globalen Dermatologieunternehmens, welches 1981 gegründet wurde. Es ist heute in über 100 Ländern mit einem umfangreichen Produktportfolio an verschreibungspflichtigen und OTC-Arzneimitteln, ästhetischen Lösungen sowie Pflege- und Kosmetikprodukten vertreten. Das Unternehmen arbeitet weltweit mit medizinischen Fachkräften zusammen, um die Bedürfnisse der Menschen zur Gesunderhaltung der Haut über die Spanne ihres gesamten Lebens zu erfüllen. Galderma ist führend in der Forschung und Entwicklung wissenschaftlich definierter und medizinisch erprobter Lösungen für die Haut.
Im Jahr 2015 führte Galderma mit dem verschreibungspflichtigen Arzneimittel Soolantra® als erstes Unternehmen ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ivermectin in den deutschen Markt ein. Es handelt sich hierbei um einen in der medizinischen Wissenschaft bekannten Wirkstoff, der in anderen EU-Ländern seit über 20 Jahren insbesondere zur Behandlung der Krätze zugelassen ist. Galderma konnte in klinischen Studien als erstes Unternehmen zeigen, dass der Wirkstoff auch zur Behandlung der Hauterkrankung Rosazea geeignet ist und erhielt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hierfür eine Zulassung sowie Unterlagenschutz.
Der Gemeinsame Bundesausschuss stellte sich auf den Standpunkt, dass das Arzneimittel Soolantra® einen neuen Wirkstoff enthalten würde, und leitete eine AMNOG-Nutzenbewertung ein. Galderma sah für eine AMNOG-Nutzenbewertung keine rechtliche Grundlage und reichte deswegen kein Nutzendossier ein, weswegen das Verfahren im November 2015 mit einem negativen Nutzenbewertungsbeschluss endete. Hiergegen wendete sich Galderma im Dezember 2015 mit einer beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegten Klage. Aufgrund des zwischenzeitlich weiterlaufenden AMNOG-Verfahrens wurde Galderma vom GKV-Spitzenverband zu Preisverhandlungen aufgefordert. Um weitere Nachteile durch ein ansonsten drohendes Schiedsverfahren zu verhindern, sah sich Galderma dazu gezwungen, mit dem GKV-Spitzenverband einen Erstattungsbetrag zu vereinbaren. Gleichwohl hielt Galderma an der Rechtswidrigkeit des Verfahrens fest.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hielt die Klage für unzulässig, weil gesonderte Klagen gegen Nutzenbewertungsbeschlüsse nach dem Gesetz ausgeschlossen seien und durch die Erstattungsbetragsvereinbarung das Rechtsschutzbedürfnis entfalle (Az.: L 1 KR 558/15 KL). In Folge der erfolgreichen Revision von Galderma kam es am 10. September 2020 zur ersten Grundsatzentscheidung des BSG in diesem Verfahren (Az.: B 3 KR 11/19 – „Ivermectin I“): Es wurde entschieden, dass pharmazeutische Unternehmen aus verfassungsrechtlichen Gründen auch dann eine Nutzenbewertung gerichtlich überprüfen lassen können, wenn sie sich auf dieser Grundlage mit dem GKV-Spitzenverband über einen Erstattungsbetrag geeinigt haben. Das erstinstanzliche Urteil daher wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Das Landessozialgericht musste nach Zurückverweisung daher in der Sache entscheiden, ob das Arzneimittel Soolantra® in den Anwendungsbereich des AMNOG-Verfahrens fällt und zu Recht vom Gemeinsamen Bundesausschuss einer Nutzenbewertung unterzogen wurde. Es entschied am 9. November 2022 (Az.: L 1 KR 438/20 KL ZVW) erneut gegen Galderma und wies die Klage als unbegründet ab. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe das Arzneimittel Soolantra® zu Recht einer Nutzenbewertung unterzogen, so das Landessozialgericht. Es handele sich um das erste zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ivermectin in Deutschland, dessen Zulassung zudem auf einer neuen Wirkung eines bekannten Wirkstoffs beruhe und für die Unterlagenschutz bestehe. Die Wirkstoffneuheit entfalle nicht deswegen, weil der Wirkstoff in anderen EU-Mitgliedstaaten seit über 20 Jahre zugelassen sei.
In dem nachfolgenden Revisionsverfahren (Az.: B 3 KR 22/22 R – „Ivermectin II“) gab das BSG in der mündlichen Verhandlung am 5. September 2024 nunmehr dem von NOVACOSPartner Dr. Christian Stallberg vertretenen Unternehmen auch in der Sache recht: Der Nutzenbewertungsbeschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses wurde als rechtswidrig und unwirksam qualifiziert, weil mangels Neuheit des Wirkstoffs Ivermectin über eine Nutzenbewertung des Arzneimittels Soolantra® nicht zu beschließen war.
Für die Beurteilung der Wirkstoffneuheit sei nicht auf die Zulassung eines Arzneimittels in Deutschland, sondern auf die erstmalige Zulassung in zumindest einem EU-Mitgliedsstaat abzustellen. Rechtlich unerheblich sei danach, ob das im Jahre 2015 in Deutschland neu zugelassene Arzneimittel Soolantra® bezogen auf das zugelassene Anwendungsgebiet Rosazea auf neu bekannt gewordenen Wirkungen des 2015 bereits bekannten Wirkstoffs Ivermectin beruhe. Ausgehend von den einschlägigen Rechtsgrundlagen habe der Gemeinsame Bundesausschuss mit seinem Nutzenbewertungsbeschluss daher den ihm als Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten, so das BSG in der Verhandlung.
Berater Galderma Laboratorium GmbH
Inhouse (Düsseldorf): Noëmi Löllgen (Head Market Access)
NOVACOS: Dr. Christian Stallberg, LL.M. (Partner)
Berater Gemeinsamer Bundesausschuss:
Inhouse (Berlin): Claudia Reich (Justiziarin)
Hier finden Sie unsere Pressemitteilung BSG Galderma Ivermectin II 9 September 2024