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EuGH: Arzneimittelpreisbindung gilt nicht für ausländische Versandapotheken

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat am 19.10.2016 entschieden, dass die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die von einer ausländischen Versandapotheke nach Deutschland versandt werden, nicht anwendbar ist (EuGH, Urteil vom 19.10.2016, Rs. C-148/15).

Der deutsche Gesetzgeber hatte bereits vor einigen Jahren entschieden, dass der Versandhandel nicht nur – wie vom EuGH zwingend vorgegeben (EuGH, Urteil vom 11.12.2003, DocMorris, Rs. C-322/01.) – für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (OTC), sondern auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel zulässig sein soll. Der Gesetzgeber hatte allerdings in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG vorgesehen, dass die Arzneimittelpreisverordnung und mithin die Preisspannen und einheitlichen Abgabepreise nach § 78 Abs. 2 Satz AMG auch für ausländische Versandapotheken gelten.

Hintergrund

Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung war seit geraumer Zeit von ausländischen Versandapotheken – wie der niederländischen DocMorris Apotheke – in diversen Gerichtsverfahren vor dem Hintergrund des Unionsrechts in Frage gestellt worden. Mit Urteil vom 19.10.2016 hat der EuGH nun entschieden, dass die Regelung mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist, da sie einer ausländischen Versandapotheke den Marktzugang in Deutschland erschwere und nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sei. Schließlich sei der Preiswettbewerb die einzige Möglichkeit für ausländische Versandapotheken, um mit deutschen Apotheken in Wettbewerb zu treten, da der Qualitätswettbewerb über zusätzliche Dienstleistungen für Versandapotheken weitgehend ausgeschaltet sei.

Anders als in Bezug auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot (EuGH, Urteil vom 19.05.2009, Apothekerkammer des Saarlandes u.a., Rs. C-171/07, C-172/07) hat der EuGH insoweit das Argument, dass der deutsche niedergelassene Apotheker zusätzliche Dienstleistungen, wie die Notdienste erbringe, nicht gelten lassen, um die Beschränkung des Warenverkehrs nach Art. 34 zu rechtfertigen.

Die Deutsche Parkinson Vereinigung e. V. hatte eine Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris begründet, wonach den Mitgliedern des Vereins ein Bonussystem angeboten wurde, falls sie verschreibungspflichtige Arzneimittel über die ausländische Versandapotheke DocMorris beziehen. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hatte dieses Bonussystem als Verstoß gegen die deutsche Regelung angesehen, die vorsieht, dass ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel festgesetzt wird.

Relevanz & Auswirkungen

Relevanz dürfte das Urteil zunächst für die deutschen Offizinapotheker haben, die sich nunmehr einem stärkeren Preiswettbewerb auch in Bezug auf verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgesetzt sehen. Auch Krankenkassen könnten ein Interesse daran haben über Kooperationen mit ausländischen Versandapotheken neben Rabattverträgen über Preisnachlässe im generikafähigen Markt Einsparungen zu generieren. Allerdings ist dieses Segment über Rabattverträge weitgehend abgedeckt; zudem dürften die verhandelbaren Margen begrenzt sein, so dass ein entsprechendes Modell nur bei größeren Abgabenvolumina oder extrem hochpreisigen Arzneimitteln in Betracht kommt.

Unmittelbare Auswirkungen für die Geltung der Arzneimittelpreisbindung nach §§ 78 Abs. 2 und 3 AMG und die Arzneimittelpreisverordnung beim Vertrieb innerhalb Deutschlands dürfte das Urteil nicht haben, da es insoweit an einem grenzüberschreitenden Sachverhalt fehlen dürfte, der für die Anwendung der Warenverkehrsfreiheit zwingende Voraussetzung ist.

Welche Folgen der Gesetzgeber aus dem Urteil des EuGH zieht, bleibt jedoch abzuwarten. Er könnte einerseits die Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG wieder streichen und damit den Weg für den Preiswettbewerb durch ausländische Versandapotheken freimachen, so wie es der EuGH fordert. Der Gesetzgeber könnte jedoch auch ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel einführen.

Ob dies allerdings angesichts eines nunmehr seit einigen Jahren zulässigen Internethandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verfassungsrechtlich zulässig ist, erscheint fraglich. Zudem erscheint es als gut möglich, dass der EuGH heute – fast 13 Jahre nach seinem ersten Urteil in der Sache DocMorris – ein vollständiges Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als unionrechtswidrig ansehen würde zumal insoweit ähnliche Rechtfertigungserwägungen anzustellen wären, die im vorliegenden Fall jedoch als nicht tragfähig erachtet wurden.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie gerne Dr. Alexander Natz.

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